Gleichschaltung in Rosa – fuck the princess

von MoMo

Jeden Tag sieht man sie und das wirklich überall, wohin man auch schaut. In der Fußgängerzone, im Neubaublockviertel, im Supermarkt, in der Nähe von Schulen, in Straßenbahnen, vor Einfamilienhäusern sieht man kleine (und auch oft größere) Mädchen, die den Eindruck erwecken von Kopf bis Fuß in ein abartiges Pink-Rosa-Gemisch getaucht worden zu sein. Ich finde das -und mir fallen wirklich keine anderen Worte dafür ein- abartig und herabwürdigend.

Ich persönlich erinnere mich nur an zwei Kleidungsstücke aus meiner Kindheit, die diesem Teil der Farbpalette entsprangen: eine rosafarbene Hose, die ich in der ersten Klasse an meinem ersten Schultag trug und die somit auch auf Fotos für die Nachwelt erhalten blieb und an ein pinkes T-Shirt, auf dessen Vorderseite meinen ganzen Oberkörper bedeckend ein riesiger Minni-Maus-Kopf prangte.
Ich habe mir diese Kleidungsstücke nicht selbst ausgesucht, denn bis zum Beginn meiner Pubertät habe ich mich kaum dafür interessiert, was ich trage. Ich ließ meiner Mutter freie Hand in der Auswahl meiner Kleidungsstücke und ich bin ihr unendlich dankbar dafür, dass sie ihre Tochter nicht zu einer kleinen Prinzessin erziehen bzw. als solche verkleiden wollte. Denn das hört und liest man oft über rosafarbene Mädchen: ‚Sie ist unsere Prinzessin‘ oder ‚Ich möchte eine Prinzessin sein‘. Das Wort ‚Prinzessin‘ hat für mich mittlerweile die Qualitäten eines Schimpfwortes angenommen. Es steht noch eine Stufe über ‚Tussi‘. Ich frage mich, warum Eltern ihre Töchter zu unfähigen, nichts könnenden, sich permanent schminkenden, Haare kämmenden und schön über alles hinweg lächelnden Frauen heranziehen wollen? Das Vorbild dieser Prinzessinnen stammt doch offensichtlich aus Märchen und Disneyerzählungen. Doch was genau machen die holden Damen dort? Meist nichts, außer in Schwierigkeiten geraten und auf den edlen Ritter warten, der sie erlöst und heiratet. Und damit ist die Sache auch schon erledigt. Keine der mir bekannten Prinzessin dieser Kategorie hat einen Schulabschluss gemacht, geschweige denn eine Berufsausbildung oder ein Studium absolviert. Aschenputtel, bei der es sich bekanntlich nicht um eine gebürtige Prinzessin handelt, wusste immerhin, wie man putzt. Na bravo!
Kurz zusammengefasst lautet die Botschaft: Frauen können nichts (oder müssen nichts können), wenn sie sich aber gut führen, finden sie aber einen Mann, der sie heiratet und sie ernährt. Glückwunsch zu diesem Weltbild! Passend dazu findet sich im Wikipedia-Artikel über die Farbe Rosa die Aussage: ‚Für Männer bedeutet diese Farbe meist Hilflosigkeit, Naivität und Schwäche‘. Dies trifft nicht nur auf Männer zu, ich schließe mich diesem an.
Vielleicht kann es aber auch sein, dass ich in meiner Vermutung falsch liege. Orientiert sich der Großteil der Gesellschaft doch an historischen Persönlichkeiten? Wikipedia klärt uns auch darüber auf, dass Prinzessinnen im eigentlichen Sinn nur Frauen sind, die einen Prinzen geheiratet haben. Eine Tochter eines Königs wurde früher nicht so bezeichnet. Was genau waren die Aufgaben einer Prinzengattin? Ach ja, einen Thronfolger gebären. Die unzählige Male angeschmachtete Sissi heiratete mit 16 Jahren ihren Cousin, mit 17 gebar sie ihr erstes Kind. Marie Antoinette, die letzte Tochter und insgesamt fünfzehntes Kind Maria Theresias wurde mit 14 Jahren verheiratet. Ich glaube kaum, dass das erstrebenswert ist.
Wenn ich eine Tochter bekommen sollte, werde ich sie nicht in Rosa kleiden und ihr auch nicht suggerieren, dass sie eine Prinzessin sei. Ich könnte damit leben, wenn Menschen mich fragen, ob das Kind ein Junge sei, da es ja nicht in rosa gekleidet wäre. Allerdings befürchte ich, dass das ziemlich schwierig werden wird. Lässt man seinen Blick in Geschäften über Kinderkleidung schweifen, scheint es für Mädchenkleidung fast gar keine andere Option zu geben. Aber ich würde mein Kind nicht bei dieser rosa Gleichschaltung mitmachen lassen. Bleibt nur zu hoffen, dass sie damit nicht zum Außenseiter werden würde. Falls sie nach mir kommen sollte, dürfte es sie aber nicht interessieren, was sie am Körper trägt.

Die Farbe Rosa symbolisiert für mich vor allem eine Geschlechterrolle. Es ist dieses ‚Du bist ein Mädchen und somit anders als ein Junge‘, was ich in rosagekleideten Mädchen sehe. Ich würde meine Tochter aber zu einem starken, selbstbestimmten Mädchen erziehen wollen, das alles machen und werden kann, was ein Junge auch kann. Das ist für mich unvereinbar mit der Farbe Rosa und allem, für das sie steht. Ein Vorbild für Mädchen sollte eher Pippi Langstrumpf, als Barbie sein!

(An dieser Stelle verweise ich auch gerne auf: http://www.pinkstinks.co.uk/)

MoMo